Wladimir Poltawskij

1919–1941

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Wladimir Poltawskij, 1941
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Wladimir Poltawskij wird 1919 in einem kleinen Dorf in der südrussischen Region Rostow-am-Don geboren. Seine Eltern sterben früh, so dass er mit seiner Schwester Raisa in einem Kinderheim aufwächst. Nach Beendigung der Schule arbeitet er als Schreiber bei archäologischen Ausgrabungen. Um 1940 heiratet er. Zusammen mit seiner Frau Agrippina und dem gemeinsamen Sohn Aleksander lebt er auf einem staatlichen landwirtschaftlichen Großbetrieb.

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Seine Ehefrau Agrippina, die Wladimir oft Gruscha nennt, ohne Datum
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Ihr Sohn Aleksander, Anfang 1940er Jahre
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1941 wird Wladimir Poltawskij zum Militär einberufen. Bereits wenige Tage nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht gerät er in Brest in Gefangenschaft und gelangt über mehrere Stationen im Oktober des Jahres ins Kriegsgefangenenlager Nürnberg-Langwasser. Hier muss er im „Russenzeltlager“ leben und im Arbeitskommando 298 schwere Erdarbeiten auf dem Reichsparteitagsgelände verrichten. Viele sowjetische Kriegsgefangene kommen dabei ums Leben.

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Dieses Foto schickt Wladimir Poltawskij einige Monate vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion an seine Frau. Es zeigt ihn in der Uniform eines Rotarmisten. Auf die Rückseite schreibt er: „Als Andenken für Gruscha! Von Wladimir Semenowitsch Poltawskij. Foto gemacht am 2. März 1941 im Alter von 21 Jahren 9 Monaten und 1 Tag.“
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„Onkel, ich schreibe Ihnen noch darüber, dass ich meine Familie zurückgelassen habe, dass sie in solch einem schlechten Zustand ist, weil doch gerade Sie meinen dummen Kopf auf den Schultern kennen müssten, der sich ausgedacht hat früh zu heiraten; ich habe aber doch nur deswegen beschlossen früh zu heiraten, weil ich glaubte, sie müssten mich wegen meines Gesundheitszustandes nicht in die Armee einziehen, aber es ist anders gekommen, und nun denke ich mit dem Herzen an das Zuhause, an die Frau … dann ist man doch kein Soldat der Roten Arbeiter- und Bauernarmee, wenn man daran denkt, wo man doch alle taktischen Details des kommenden Krieges lernen muss, um nicht umzukommen wie eine Fliege im Krieg.“
Aus dem letzten Brief von Wladimir Poltawskij an einen Onkel, Brest im April 1941.

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Eine weitere Foto-Postkarte mit dem gleichen Motiv schickt Wladimir Poltawskij mit folgender Widmung an seinen Sohn: „Sohnemann küss mich hier ins Foto und ich küsse Dich.“
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Die bereits entkräfteten sowjetischen Kriegsgefangenen werden im Kriegsgefangenenlager in Nürnberg-Langwasser mangelhaft versorgt. Dieses Bild zeigt einige von ihnen bei der Suche nach Essbarem. „Russen beim Grasfressen“ betitelte der deutsche Wachsoldat Otto Madl dieses Foto.
© Privatbesitz / Museum für Kommunikation, Berlin

Wladimir Poltawskij stirbt nicht an der Arbeit. Er wird im November 1941 mit weiteren Kameraden durch ein Einsatzkommando der Gestapo Nürnberg-Fürth von den restlichen Gefangenen getrennt. Diese „Aussonderungen“ sollen „untragbare Elemente“ unter den sowjetischen Kriegsgefangenen aufspüren, um diese anschließend zu ermorden. Die Auswahl folgt sehr vagen Kriterien und ist in starkem Maße willkürlich. Wladimir Poltawskij wird am 19. November im Alter von nur 22 Jahren erschossen.

„Die Erschießungen von russischen Kriegsgefangenen begannen wahrscheinlich im September 1941. Meine Mutter konnte das Schießen tagelang mitanhören, da wir in der Nähe des Schießplatzes wohnten. Wochenlang fanden täglich Erschießungen statt, die bis zum Abend andauerten.“
Maria Seidenberger berichtet in einem Interview mit 2001 über Erinnerungen ihrer Mutter, die als Anwohnerin die Exekutionen auf dem SS-Schießplatz in Hebertshausen aus nächster Nähe mitbekommen hat.

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Am Standort des ehemaligen SS-Schießplatzes Hebertshausen nahe dem Konzentrationslager Dachau wird den dort ermordeten 4000 sowjetischen Kriegsgefangenen gedacht. Auch das Schicksal von Wladmir Poltawskij wird auf einer Stele in der Open-Air-Ausstellung gewürdigt.
© Andrea Riedle, KZ-Gedenkstätte Dachau
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Die Angehörigen erfahren erst durch unsere Recherchen im Jahre 2019, dass Waldimir Poltawskij nicht im Krieg verschollen, sondern ermordet worden ist. Unsere Nachforschungen führen dabei unverhofft verschiedene Familienteile wieder zusammen. Dieses Foto vom Sommer 2019 zeigt seinen Sohn Aleksander (Mitte) neben zwei Cousins, den Söhnen von Poltawskijs Schwester Raisa. Links ist die Gattin neben ihrem Ehemann zu sehen, rechts steht Aleksanders Ehefrau.
© Privatbesitz


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